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Sadomasochismus - Der erotische Kult des Faschismus Part I

Sir_Rowan
Die folgenden Textstellen stammen aus dem Buch „Ketzerinnen“ von Sheila Jeffreys. Das Buch erschien in der deutschen Übersetzung 1993.

Berlin in den dreißiger Jahren

Es gibt ein historisches Beispiel über die Verbindung zwischen S/M und Faschismus, welches bislang übersehen wurde. Vor der Machtergreifung der Nazis 1933 in Deutschland war S/M vor allem unter homosexuellen Männern eine immer beliebter werdende sexuelle Praxis.

Christopher Isherwood, ein schwuler britischer Schriftsteller, der damals in Berlin lebte, hat Aufzeichnungen über das Liebäugeln mit S/M nicht nur unter Schwulen, sondern ebenso unter arbeitslosen Jugendlichen hinterlassen.

In [i:f786f0697b]Down There on a Visit [/i:f786f0697b]geht Isherwood bei der Beschreibung eines jungen Deutschen den Verbindungen zwischen S/M und dem Anwachsen des Faschismus nach:

„Ich bin sicher, daß Waldemar instinktiv eine Beziehung zwischen den ´[b:f786f0697b]grausamen[/b:f786f0697b]´ Damen in Stiefeln, die vor dem Kaufhaus des Westens ihren Gewerbe nachgehen, und den jungen Schlägern in Nazi-Uniform, die heutzutage dort die Juden herumstoßen, empfand. Wenn eine der gestiefelten Damen einen vielversprechenden Kunden erspähte, griff sie ihn, zerrte ihn in ein Taxi und schleppte ihn ab, um ihn auszupeitschen. Machten die SA-Jungs nicht genau das Gleiche mit ihren Kunden – nur daß das Auspeitschen nun tödlicher Ernst war? War nicht die eine Form die Probe für die andere?“


In Martin Shermans Theaterstück[i:f786f0697b] Bent [/i:f786f0697b]ist S/M ein wichtiges Thema.

Das Stück beginnt damit, daß Max, die Hauptperson, einen jungen Mann in Lederbekleidung aufgegriffen und für einen Dreier mit seinem Lover mit nach Hause genommen hat.
Es ist der Morgen danach, Gestapoleute, die den jungen Mann verfolgen, dringen ein und schneiden ihm die Kehle durch. Wir schreiben das Jahr 1934. Max und sein Lover sind von da an auf der Flucht. Der Lover wird getötet, Max landet im Konzentrationslager.

In der bewegendsten Szene des Stücks lieben sich Max und ein Mitgefangener, der im Lager ist, weil er eine Petition zur Aufhebung der deutschen Antihomosexuellengesetze unterschrieben hat, ausschließlich mit Worten, während sie unter schwerer Bewachung Felsbrocken schleppen.

Max kann sich Liebe machen ohne Schmerzen nicht vorstellen und baut in seine Phantasie schmerzhaftes Brustwarzenbeißen ein. Horst widerspricht.

Horst: „Du willst mir weh tun. Du machst mich heiß, und dann tust Du mir weh. Ich leide genug, Ich brauche nicht noch mehr Schmerz. Warum kannst Du nicht sanft sein?“
Max: „Ich bin es“
Horst: „Nein, das bist Du nicht. Du bist wie sie. Du bist wie die Aufseher. Du bist wie die Gestapo. Wir haben aufgehört, sanft zu sein. Ich habe es gesehen, als wir noch draußen waren. Die Leute tun sich weh und nennen es Liebe. So will ich nicht sein. Liebe sollte nicht weh tun.
Das Stück stellt eine Verbindung zwischen Max´ Sadomasochismus und seiner Unfähigkeit, seine Homosexualität zu akzeptieren, her. Es endet damit, daß Horst getötet wird und Max seine Liebe zu Horst demonstriert, indem er dessen rosa Winkel ansteckt und in den elektrischen Zaun geht.

Das Tragische an dem S/M-Spielen im Berlin der dreißiger Jahre war, daß die Szenerien, die die schwulen Männer zu ihrem sexuellen Vergnügen aufführten, nur die größere Gewalt vorwegnahmen, die ihnen von den faschistischen Schlägern widerfuhr, als sie in Konzentrationslagern interniert wurden.

Die Erfahrungen männlicher Schwuler in den KZs sind in Heinz Hegers Bericht über [i:f786f0697b]Die Männer mit dem rosa Winkel [/i:f786f0697b]eindrücklich beschrieben.

Die sadomasochistische Praxis kommt aus der wenig geheimnisvollen Geschichte unserer sehr realen Unterdrückung. S/M-Szenarien wiederholen die Folter schwuler Männer durch die Faschisten genauso wie die Folter der Schwarzen durch die Weißen, der Juden durch die Nazis, Frauen durch Männer, Sklaven durch Sklavenhalter.

S/M-Praxis kann als rituelle Inszenierung gesehen werden. Da es ziemlich unwahrscheinlich ist, daß schwule S/Ms tatsächlich in einer Weise gefoltert werden wollen, die vollkommen außer ihrer Kontrolle ist, ist es denkbar, daß diese Praxis die Rolle von Knoblauch bei der Teufelsaustreibung spielt oder die vorsichtige Vorwegnahme des Schlimmsten ist, das passieren könnte, um sich versuchsweise daran zu gewöhnen.